Landesvereinigung für
Gesundheitsförderung
Thüringen e.V.




Jahrestagung 2024

Resilienz als Superkraft in unsicheren Zeiten?! 

Am 15. August 2024 fand die Jahrestagung der AGETHUR in Neudietendorf statt. Im Zentrum der Veranstaltung stand die Frage, wie wir mit dem ständigen Wandel in unserer Welt umgehen. Könnte Resilienz eine Superkraft für Individuen, aber auch für Teams und Organisationen sein, um die Widrigkeiten des Lebens besser zu bewältigen? Und wenn ja, wie schaffen wir es, diese Superkraft zu aktivieren?

 

Was ist Resilienz?

Alltagssprachlich wird unter ‚Resilienz‘ die psychische Widerstandsfähigkeit des Menschen gegenüber seiner Umwelt verstanden. Da der Begriff kulturell geprägt ist, existiert eine Vielzahl an Definitionen. Im Englischen steht „resilience“ für die Elastizität und Spannkraft der Psyche. Resilienz ist aber viel mehr als nur ein Zustand. In der Entwicklungspsychologie wird sie vor allem als erlernbare Fähigkeit verstanden, Krisen im Laufe des Lebens mit Hilfe von persönlichen als auch sozial vermittelte Ressourcen meistern zu können (vgl. Welter-Enderlin/Hildenbrand: 2006). So unterstützt Resilienz ebenso dabei, aus Herausforderungen neue Chancen für die persönliche Weiterentwicklung zu formen.

Schutzfaktoren zur Ausbildung von Resilienz finden sich im Menschen selbst, aber auch in seiner sozialen Umwelt. Neben individuellen Lebenskompetenzen und Persönlichkeitsmerkmalen spielen auch gesicherte Grundbedingungen und die soziale Unterstützung eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Resilienz. Hinzu kommen verschiedene Resilienzfaktoren, die miteinander in enger Verbindung stehen und aktiv gefördert werden können.

In sozialen Zusammenhängen kann Resilienz als ein Potential definiert werden, dass es einer sozialen Einheit (z.B. einer Organisation) ermöglicht, disruptiven Veränderungen gut zu begegnen (d.h. besser, als im gegebenen adversen Kontext erwartbar) und den eigenen Bestand zu sichern. Dies kann geschehen durch die Modi der Bewältigung, der Anpassung oder der Transformation (vgl. Endreß/Rampp 2015).

 

Perspektiven auf das Individuum und Organisationen

Stabilität durch Wandel - die Relevanz des Konzeptes Resilienz ist aktueller denn je. Der Begriff findet sich in vielen Fachbereichen wieder. Alle Ansätze vereint, dass sie nach einem gelingenden Umgang mit Veränderungen und Komplexität streben. Soziologe Dr. Benjamin Rampp, an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz tätig, referierte zur Tagung über die Übertragbarkeit des Konzeptes auf Organisationen. Ganz nach dem Motto "kleine Krisen und begrenztes Scheitern - statt große Krisen und großes Scheitern" brauchen wir Krisen und die Interaktion mit unserer Umwelt, um Resilienz ausbilden und lernen zu können. Dr. Rampp verwies dabei auf das Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Verantwortung der Gesellschaft hin.

Anne Löhr, Psychologin, Therapeutin und Supervisorin aus Berlin, betonte zu Beginn ihres Beitrages die positive Seite des Begriffes „Krise“. Wir erleben Krisen oft als Kontrollverlust und Verengung der Wahrnehmung. Dabei greifen wir automatisch und blitzschnell auf bekannte Routinen und Muster zurück. Viel zu oft vergessen wir dabei die zweite Seite - die Chance. Anne Löhr machte während ihres Vortrages Mut, sich in einem Prozess Stück für Stück dem Ungewissen und der Veränderung zu stellen. Ganz nach Seneca "Im Hafen ist ein Schiff sicher, aber dafür ist es nicht gebaut." müssen wir uns mit den Herausforderungen des Lebens auseinandersetzen - mit allem, was dazu gehört. Denn auch Wut, Frustration und Trauer gehören ebenso zur Resilienz, wie Glück, Gelassenheit und Stärke. Der Schlüssel zum Ausweg aus Krisen besteht in den Ressourcen, die in uns und unserem System um uns herum liegen.

Die anschließenden Workshops boten Raum für Vertiefung und Austausch, beispielsweise zu den Themen Teamresilienz und Organisationale Resilienz. Mit dem Resilienzkoffer der AGETHUR und dem systemischen Krisentunnel, erklärt von Anne Löhr, wurden ebenso konkrete Methoden zur Resilienzförderung vorgestellt.

Am Ende des Tages bestand Konsens darin, dass im Konzept der Resilienz viel Potenzial steckt - es aber auch Grenzen gibt. Und auch wenn sie uns noch nicht zu "Superheld:innen" macht, so hilft sie uns doch besser durch schwierige Lebensphasen zu kommen - auch wenn das eine oder andere mal schief geht. Wir freuen uns, unserem Publikum mit der Tagung eine Inspiration für sich selbst und die eigene Organisation mitgegeben zu haben.

Quellen:

Endreß, Martin/Rampp, Benjamin (2015): Resilienz als Perspektive auf gesellschaftliche Prozesse. Auf dem Weg zu einer soziologischen Theorie. In: Endreß, Martin/Maurer, Andrea (Hrsg.): Resilienz im Sozialen. Theoretische und empirische Analysen. Wiesbaden: Springer VS, 33–55.

Welter-Enderlin, R., Hildenbrand, B. (Hrsg.) (2010): Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände. Carl-Auer Verlag. Heidelberg.